Brauchtum und Aberglaube in Saalfeld des 16. Jahrhunderts: Das Fischehängen Das Fischehängen - Teil II

Ein altes Sprichwort besagt: Wenn im Herbst der Himmel die Erde mit Regen tränkt, die Dachrinnen des Nachts leise klappern, die Terrassentüren von selbst aufgehen und im Windzug die braunen Blätter von draußen in die beheizten Stuben tanzen, dann bricht der 15. Oktober an ... Ab diesem Tag fliegen die Hexenweiber bis zur Halloweennacht durch die Gassen der Stadt Saalfeld/Saale, fegen um die rauchenden Schornsteine oder hocken lachend in den Baumkronen.

 

Meine Ur-Großmutter erzählte mir als Kind oft vom Brauch der alten Saalfelder. Mitte des 16. Jahrhunderts plagte ein unaufhörliches Hexenübel die Stadt, dessen Heimsuchungen einfach nicht enden wollten. Irgendwann wussten sich die Bewohner nicht mehr anders zu helfen, als jedes Jahr am 15. Oktober eine zappelnde Barbe an ihre Tür zu hängen – solange, bis der Fisch von den Hexen gesammelt wurde oder die Nacht vor Allerheiligen anbrach. Sollte das Kiementier danach noch an der Angelschnur schweben, galt dies als unheilvolles Zeichen.

Laut Überlieferung verkleideten sich an Halloween jene Männer als Hexen, an deren Türen noch immer das Opfer baumelte. Die Väter schnitten die tote Barbe kurzerhand selbst vom Haken, um den Schein zu wahren, dass die Gabe angenommen wurde, und lagerten den Fisch noch fünf weitere Tage neben dem Bett ihres Kindes, für den Fall, dass ein verspätetes Nachtweib zu Besuch kam und im Dunkeln durch die Zimmer schlich.

Klingt gruselig, oder?

Meine Ur-Großmutter hing bis zu ihrem Ableben jedes Jahr einen Fisch aus Kunststoff vor ihre Tür. Sie sagte immer: "Eine Hexe kann zwischen einem Fisch und einer Attrappe nicht unterscheiden. Dafür sind ihre Augen viel zu schlecht und ihre Nasen stets verstopft ..."

Ich kann mit Recht behaupten, dass mir diese Geschichte als kleiner Bub eine Heidenangst eingejagt hat, allein schon deshalb, weil ich nicht selten glaubte, zur Geisterstunde vor meinem Fenster eine vermummte Gestalt fliegen zu sehen. Sollten Sie sich also eines Tages im Oktober in meine Heimatstadt verirren, vergessen Sie bloß den Plastikfisch nicht ...

 

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