Der rote Riese vom Kirchplatz

Es begab sich einst, dass ein armer Mann zur Nacht durch die Stadt Saalfeld zog. Die Gassen waren verlassen, gleich den leeren Hosentaschen des ausgemergelten Mannes. In einer engen Seitengasse, gelegen zwischen einer Stube des Geldwechslers und einem Geschäft der Porträtmalerei, erschien ihm auf einmal ein weißes Männlein – gar dünn, mit schwarzen Augen und ohne Haut.

Das Männlein sprach zum Wanderer und verhieß ihm einen Beutel voll Gold; nur solle er einen Stein ergreifen und ihn durch die Scheibe des Geldwechslers werfen. Doch der Wanderer durchschaute die Intrige, die ihm zugedacht war, und sprach tadelnd zum teuflischen Skelett: »Geh selbst heran, damit deine tückische List keinen Unschuldigen trifft, und verübe selbst deine Torheit!«

Daraufhin wandte sich der Wanderer drei Straßen weiter und erblickte einen wohlgenährten Mann in einem roten Mantel. Der Riese senkte freundlich seinen Blick zu ihm herab und sprach: »Ich habe eben von deiner Ehre vernommen. Bist du der eigenen Gaunerei entkommen, soll deine Klugheit belohnt werden.«

Der rote Riese zog aus seinem Beutel ein kleines ledernes Säckchen hervor und reichte es dem armen Manne. Kaum war dies geschehen, verschwand er mit lautem Lachen gen Himmel. Der Wanderer, in das Säckchen schauend, fand eine Handvoll Goldmünzen darin und vernahm das frohe Lachen des Riesen, das im fallenden Schnee widerhallte.

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